Jasmin Bäumer

Im Zuge der BME-Porträtreihe „Leading Ladies in Procurement" gibt Jasmin Bäumer, Head of Group Procurement bei BÜFA GmbH & Co. KG, im folgenden Interview Einblicke in ihren Werdegang.
Veröffentlicht am 07.08.2023

Position: Head of Group Procurement
Unternehmen: BÜFA GmbH & Co. KG
 

Was hat Sie in den Einkauf geführt?

Wie so oft im Leben der Zufall. Ich habe meine Masterarbeit zur Verbesserung der Liefertreue für einen Siemens-Kunden in Erlangen im Jahr 1998 im Einkaufsbüro der Siemens AG im Silicon Valley erstellen dürfen. Seitdem habe ich den Einkauf nicht mehr verlassen.

Als Führungskraft im Einkauf haben Sie sicherlich eine Vielzahl von Verantwortlichkeiten. Bitte beschreiben Sie uns Ihren Verantwortungsbereich oder Projekte, an denen Sie derzeit arbeiten.

Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich im Strategischen Einkauf in internationalen Matrix-Organisationen mit der Verantwortung für direkte und/oder indirekte Materialien und Services, in sehr reifen bis noch zu entwickelnden Einkaufsorganisationen. Seit 19 Jahren bin ich in einer Führungsposition, arbeite seit 2011 überwiegend in Familienunternehmen und berichte seit den letzten zehn Jahren an die Geschäftsführung. Meine Kernkompetenz, die sich durch die verschiedenen Stationen über die Jahre herausgebildet hat, ist die systematische Transformation von Einkaufsabteilungen zu einem modernen Einkauf, der auf die speziellen Bedürfnisse eines Unternehmens zugeschnitten ist und ausgewählte Wettbewerbsvorteile generiert. Dazu arbeite ich unter anderem gern mit Hochschulen zusammen, um die neuesten Ansätze für Einkaufsorganisationen, Kompetenzen, Kompetenzmodellen, Nachhaltigkeit und den Einsatz von KI einfließen zu lassen. Wie für die meisten Unternehmen sind ein Software-gestütztes Risikomanagement, das Monitoring der Lieferkette vor dem Hintergrund des LkSG und der Aufbau eines CO2-Monitorings aktuelle Themen.

Empowerment passiert durch Begegnungen. Gibt es bestimmte Vorbilder oder Inspirationsquellen, die Sie persönlich beeinflusst haben?

Ja, tatsächlich. In meiner Zeit bei Anheuser-Busch InBev bin ich – für mich unerwartet – mit der crossfunktionalen Leitung eines großen Outsourcing-Projektes über fünf Brauereien beauftragt worden, die ich mir selbst nie zugetraut hätte. Nach den ersten Projekterfolgen stellte sich folgendes Gefühl ein: Mein Vorgesetzter hatte mich an die Klippe eines Berges gestellt, mir einen sanften Schubs gegeben – und zu meiner eigenen Überraschung: Ich konnte fliegen. Dieser Ex-Vorgesetzte ist seitdem mein Vorbild für erfolgreiches Empowerment: Man muss quasi erahnen, welches Potenzial in Mitarbeiter:innen steckt, und es hervorholen, auch wenn die Personen selbst es noch gar nicht wissen.

Sie als Frau…“, war das bisher in Ihrer Karriere ein Thema?

Eigentlich nur zu Beginn, als ich noch in meinem Erststudium in der Exportabteilung in einem Unternehmen der Bauchemie in Teilzeit gearbeitet habe. Eine Frau zu sein und auch noch Philologie– also keine Wirtschaftswissenschaften – zu studieren, hat permanent bei mir dazu geführt, dass ich mich „deplatziert“ fühlte. Das war einer der Gründe, warum ich mich nach Abschluss des Erststudiums zu einem MBA entschieden hatte. Damit fühlte ich mich gleichwertig und bin auch so behandelt worden. Trotzdem bin ich ein klein wenig stolz, dass ich für KAEFER Isoliertechnik die erste Frau war, die die Landesgesellschaft in Saudi-Arabien besucht hat. Sich verschleiern zu müssen, immer insbesondere auf Baustellen die Blicke anderer (Männer) zu spüren und sich nur auf dem Hotelzimmer so wie in Europa verhalten zu können, war eine besondere Erfahrung. Sie hat mich die Selbstverständlichkeit, mit der Frauen in Deutschland arbeiten, noch mehr schätzen lassen.

Welche Hürden und Herausforderungen sind Ihnen im Laufe Ihrer Karriere begegnet?

In meiner Generation war es vermutlich noch herausfordernder als heute, Familie und Beruf miteinander zu vereinen. Da ich selbst Einzelkind war, wollte ich immer mehr als nur ein Kind haben. Aber das erst mit Mitte 30, um vorher noch ungebundener leben und arbeiten zu können. Es sind am Ende zwei inzwischen erwachsene Kinder sowie nun drei amerikanische Collies geworden. Unser Sohn hat aufgrund einer Zerebralparese seit Beginn seines Lebens besondere Bedürfnisse, die das Alltagsleben noch ein wenig spannender gemacht haben. Meine Familie, professionelle Unterstützung im Haushalt, Freunde und am Ende flexible Vorgesetzte haben meine berufliche Weiterentwicklung möglich gemacht. Dafür bin ich sehr dankbar.

Welche Werte spielen in Ihrem Leben eine große Rolle?

Da wir viel Zeit bei der Arbeit verbringen, ist es mir wichtig, dass wir unsere berufliche Rolle mit Leidenschaft, Erfolgen und Zufriedenheit erfüllen können. Dazu müssen wir uns und andere verstehen lernen und dies auch kommunizieren, wenn Rollen, Kulturen usw. nicht zu den Mitarbeiter:innen passen. Insofern geht es aus meiner Sicht nicht ohne Offenheit und Ehrlichkeit. Wertschätzung gehört für mich immer dazu. Ansonsten brauche und erwarte ich Verbindlichkeit, etwa bei Terminen. Ich versuche viel zu ermöglichen und schätze zum Beispiel Pünktlichkeit meines Gegenübers als Respekt gegenüber meinem übervollen Terminkalender.

Was würden Sie sich in puncto Frauenförderung von Entscheidungsträgern und der Politik wünschen?

Ich habe im Berufsleben gelernt, dass man Dinge messen muss, um sie bewerten und am Ende verändern zu können. Insofern finde ich das Monitoren und Sensibilisieren, etwa, wie viele Vorstände weiblich sind, in der Öffentlichkeit wichtig. Hier gibt es Potenzial für weibliche Führungsrollen. Insgesamt sollten ausreichend Krippen- und Kindergartenplätze zur Verfügung stehen, damit weder Frau noch Mann zu Hause bleiben muss, wenn sie oder er neben der Erziehung arbeiten möchte.

Wären mehr Führungspositionen in Teilzeit wünschenswert, um mehr Frauen auf C-Level im Einkauf zu haben?

Ich fände einen flexiblen Umgang mit Voll- und Teilzeit in allen Funktionen, Hierarchien und Geschlechtern eine tolle Sache.

Was war bisher ihr größtes Abenteuer?

Vermutlich bin ich ein zu strukturierter und planender Mensch, um mich je in richtige Abenteuer zu begeben. Ich bin vor einigen Jahren allein mit unseren noch nicht volljährigen Kindern und zwei Hunden in einem Leihwagen durch verschiedene US-Staaten gereist. Gesperrte Kreditkarten und somit Zahlungsunfähigkeit in den USA, unser ausgerissener Hund am Highway 1 und der Museumsbesuch des J. Paul Getty Museums in Los Angeles mit zwei (Behindertenbegleit-)Hunden erzählen nur einige der Geschichten, die uns dort widerfahren sind.

Was planen Sie für das nächste Jahr?

Privat muss ich mich immer mehr daran gewöhnen, dass die Kinder inzwischen im Studium sind und immer weniger nach Hause kommen. Was mir wieder mehr Freiraum für mich selbst sowie spannende berufliche Aufgaben gibt. Nach Carl Kühne steht die nächste Aufgabe an. Noch habe ich keine Wahl getroffen. Mal schauen, zu welchem Unternehmen ich am besten passen werde. Sportlich möchte ich noch einmal am Big Sur International Marathon auf dem Highway 1 in Kalifornien teilnehmen. Es könnte ja auch der 12 K, der 11 oder 21 Miler sein. Je nachdem, wie fit ich bin.

Zum Abschluss: Was würden Sie Frauen, die im Einkauf erfolgreich sein wollen, gerne mit auf den Weg geben?

Männern wie Frauen würde ich das Gleiche sagen: Sucht euch Rollen, die euch begeistern, und Vorgesetzte, die eure Potenziale erkennen, sichtbar machen und euch über Eure Rolle hinaus wachsen lassen. Und wenn man seine Einkaufsexpertise weiter ausbauen und sich gleichzeitig breiter aufstellen will: Ein paar Jahre im Vertrieb würden sicher nicht schaden.

Foto: Jasmin Bäumer

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