Wandel der Kompetenz- und Rollenprofile im Einkauf

Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Fachkräftemangel - der massive Wandel von Arbeitswelt und Gesellschaft betrifft auch den Einkauf. Damit verändern sich auch die Anforderungen an das Einkaufspersonal.
Veröffentlicht am 19.09.2023

Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Fachkräftemangel - der massive Wandel von Arbeitswelt und Gesellschaft betrifft auch den Einkauf. Damit verändern sich auch die Anforderungen an das Einkaufspersonal – und werden immer vielfältiger. Analytische Fähigkeiten, IT-Skills und persönliche Kompetenzen gewinnen immer mehr an Bedeutung – ohne, dass auf bisher zentrale Kenntnisse (Einkaufsprozesse, Marktkenntnisse, Verhandlung) verzichtet werden könnte.

Einkäufer bisher oftmals Alleskönner

Angesichts dieser immer längeren „Wunschliste“ (und gleichzeitig steigendem Fachkräftemangel) ergibt sich die Frage, wer diese erfüllen bzw. ob diese erfüllt werden kann. Bisher sind Einkäufer in den meisten Unternehmen noch als „Alleskönner“ unterwegs. Lediglich die Trennung in operative und strategische bzw. taktische Aufgaben spiegelt sich in vielen Beschaffungsabteilungen wider. Immer öfter gibt es auch vereinzelte Experten für „Prozesse, Methoden & Tools“ in entsprechenden Stabsbereichen.
Eine Untersuchung der Hochschule München hat hierzu nun ergeben, dass es zukünftig eher unwahrscheinlich erscheint, dass die immer breiter werdenden Kompetenzanforderungen zu den bisherigen, generalistischen Rollen im Einkauf passen werden. An deren Stelle treten spezialisiertere Rollenprofile. Letztendlich eine folgerichtige Entwicklung, die auch die Transformation des Einkaufs abbildet: Nicht jeder gute Verhandler ist auch gut darin, Angebote auszuwerten oder komplexe Analysen durchzuführen. Wer gute Cost Engineering-Projekte treibt muss nicht notwendigerweise gut im Stakeholder-Management sein.

Zukünftige Rollenprofile für den Einkäufer

Folglich konnten in der Studie fünf zukünftige Rollenprofile für Einkäufer herausgearbeitet werden, die die erwarteten, zukünftig erforderlichen Kompetenzen differenziert abbilden:

  • Besonderen Fokus auf IT-Fachwissen gibt es dabei für digitale Prozessmanager. Ihre Hauptaufgabe liegt in der Durchführung und Optimierung digitaler Transaktionen sowie deren unterliegendem Prozessfundament. Hierzu gehören Auktionsdesign, Einsatz von Robot Process Automation-Technologie oder Weiterentwicklung von Self Service-Angeboten wie elektronischen Katalogen
  • Eher technisch-analytisch geprägt sind „Technologie- und Innovationsscouts“, die in enger Kooperation mit der Forschungs- und Entwicklungsfunktion sowie Lieferanten an der Weiterentwicklung von Produkten bzw. Lösungen arbeiten. Zusätzlich erforderlich ist hierfür auch ein ganzheitliches, marktorientiertes Denken und Kreativität.
  • Starke persönliche, soziale und kommunikative Kompetenzen sind erforderlich für „Relationship-Manager“. Als im gesamten Unternehmen sowie bei den Lieferanten vernetzte Funktion braucht der Einkauf zukünftig Personal, die sich hieraus ergebenden Stakeholder-Beziehungen zu managen. Damit kann auch die Positionierung weiterentwickelt werden, weg von der „Richtlinienpolizei“ hin zum „Berater für externe Bedarfserfüllung“. Für die dabei zu erwartenden Konflikte sind auch Moderations- und Mediationsfähigkeiten elementar.
  • Weniger persönlich-sozial orientiert als die vorgenannten Beziehungsmanager sind Einkaufskoordinatoren bzw. Projekt- und Schnittstellenmanager. Die sind für die erfolgreiche Durchführung crossfunktionaler Projekte zuständig, auch durch deren strukturierte Steuerung. Hierfür bedarf es eher methodischer Fähigkeiten als spezieller Einkaufskenntnisse. Fokus ist weniger der Inhalt der Projekte (z. B. Sourcing-Vorhaben, Ausschreibungen, Organisationstransformations-Maßnahmen), als die Gewährleistung eines transparenten, reibungslosen Ablauf.
  • Abschließend schon relativ bekannt, aber kaum umgesetzt ist die Rolle des „Data Scientist“ oder Einkaufsanalysten. Deren Spezialaufgabe ist, in Weiterentwicklung der bisherigen Aufgabe des Beschaffungscontrollings, auch die IT- zw. systemseitige Entwicklung und Bereitstellung datengestützter Erkenntnisse. Schlagworte sind „Big Data“, „Smart Analytics“ unter Nutzung von künstlicher Intelligenz oder auch das Process Mining.

Erforderliche Fähigkeiten im Einkauf sind vielfältig und sollten verteilt werden

Ob all diese Rollenprofile, insbesondere in kleineren Einkaufsorganisationen, personell immer in einer 1:1-Beziehung besetzt werden können, ist sicherlich zweifelhaft. Doch selbst wenn sie nicht exakt so eintreten bzw. umgesetzt werden sollten: Die schiere Breite der jeweils erforderlichen Fähigkeiten kann zukünftig realistischerweise nicht von Einzelpersonen abgedeckt werden. Eine Differenzierung in eher prozess-, beziehungs- markt-, Technik oder Analyse-lastige Aufgaben und auch Aufgabenerfüllern ist relativ sicher die Konsequenz. Auch wenn dies erhebliche organisatorische und personelle Entwicklungsaufwände bedeutet: Die Alternative, nämlich die Suche nach der „eierlegenden Wollmilchsau“ oder „Alleskönnern“, scheint im schon jetzt erheblichen Fachkräftemangel eine nahezu unlösbare Herausforderung für den Einkauf zu sein. Und ohne das passende Personal ist die von vielen angestrebte strategische Aufwertung des Einkaufs bald keine ambitionierte Zukunftsvision mehr, sondern traurige Utopie.

Autor
Prof. Dr. Florian C. Kleemann, Hochschule München

Hintergrund
Die Studie wurde im Rahmen des Moduls „Führung im Einkauf“ im Master-Studiengang „Digital Procurement & Supply Management“ von Frau Annabelle Sapper, Herrn Kilian Flotzinger sowie Herrn Philipp Simmler durchgeführt.

Auf eine geschlechterspezifische Benennung wurde aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet.

Foto: Pixabay

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