Hochschulrecruiting: Weg aus dem Personalmangel im Einkauf?
Was kann gegen den Personalmangel im Einkauf gemacht werden?
Der Fachkräftemangel hat den Einkauf fest im Griff. Schon 2015 veröffentlichte der BME eine entsprechende Studie. Doch trotz (vielleicht zu langsam?) zunehmender Digitalisierung hat sich an dieser Situation bis heute nichts geändert. Vielmehr haben die spätestens im Zuge der Corona-Pandemie aus dem Gleichgewicht geratenen Beschaffungsmärkte, Materialengpässe, Inflation oder auch Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit die Lage noch weiter verschlechtert. Dazu kommen steigende Kompetenzanforderungen. Der Personalbedarf ist also qualitativ und quantitativ strukturell erhöht, ohne dass kurzfristige Linderung in Sicht ist.
Wo also ansetzen? Neben der Weiterentwicklung bestehenden Personals, ggf. auch aus anderen Fachdisziplinen, kommt dem Recruiting hier entscheidende Bedeutung zu. Gerade die gezielte Ansprache von Hochschul-Studierenden ist dabei attraktiv: Zwar ist sie eher langfristig wirksam, ist dafür aber nachhaltiger – die so für den Einkauf angesprochenen Arbeitskräfte bleiben aufgrund des zumeist jungen Alters länger erhalten, erhöhen zudem das Bewerber-Reservoir (im Gegensatz zum Abwerben aus anderen Unternehmen oder Fachbereichen).
Wahrnehmung des Themenfeld "Einkauf" an Hochschulen nachhaltig steigern
Wie können Unternehmen bzw. Einkaufsverantwortliche den Zugang zu Studierenden gestalten und worauf ist dabei zu achten? Das hat eine Studie der Hochschule München untersucht. 88% der rund 140 Befragten nahmen dabei an, dass Hochschul-Recruiting den Bewerber-Pool für den Einkauf, ggf. sogar stark, erhöht. Gar 90% stimmen der Aussage zu, dass durch entsprechende Aktivitäten das Interesse am Berufsfeld „Einkauf“ gesteigert würde. Genau das sollte bewusst sein: Gegenüber „natürlich“ wahrgenommenen betriebswirtschaftlichen Funktionsbereichen wie Werbung (=Marketing) oder Personal spielt der Einkauf in der Wahrnehmung bei Studierenden eine stark untergeordnete Rolle. Immerhin 23% der Befragten gaben an, im Studium keinerlei Berührungspunkte mit dem Einkauf gehabt zu haben.
Um dies zu ändern, steht eine ganze Reihe von Instrumenten zur gezielten Ansprache zur Verfügung, die mit unterschiedlicher Intensität eingesetzt werden (Mehrfachnennungen möglich):
- 55% der Studierenden hatten über Gastvorträge in Vorlesungsveranstaltungen Berührungspunkte mit dem Einkauf, weitere 44% über Events wie Hochschul-Messen, immerhin noch 17% durch intensive Formate wie Fallstudien oder Projektarbeiten.
- Durch studentische Stellenangebote (Werkstudenten, Praktika) wurden 37% angesprochen, weitere 7%, ähnlich gelagert auch duale Studienangebote
- Knapp 30% kamen mit dem Einkauf über Betriebsbesichtigungen und Exkursionen in Kontakt (wobei hier die Kombination mit Logistik-Anteilen aufgrund der „Anschaulichkeit“ empfehlenswert sein könnte)
Es wird also erkennbar, dass der gängige Methodenkasten des Hochschul-Recruitings auch im Einkauf sinnvoll einzusetzen ist. Der Erfolg hängt dann auch an der Ausgestaltung der Maßnahmen – schlecht bezahlte Werkstudententätigkeiten oder repetitive Praktikumstätigkeiten haben dabei sicherlich einen negativen Effekt. Praxisnahe Themen in angemessener Komplexität und offene, kommunikative Referenten dagegen dürften bei den beliebten Gastvorträgen vorteilhaft sein. Recruiting ist damit weder exklusive Aufgabe der Personalabteilungen noch die der Einkaufsleitung. Vielmehr sollten auch jüngere Fachkräfte eingebunden werden, weil sie von den Studierenden als glaubhafter und nahbarer wahrgenommen werden – Authentizität gilt hier im Zweifelsfall mehr als Seniorität.
Hochschulrecruiting als Teil der Personalgewinnung wichtig
Insgesamt bleibt damit ein kritisch-positives Bild zum Hochschulrecruiting für den Einkauf: Aufwand und der eher mittelfristige Wirkhorizont lösen den Personalmangel zunächst nicht. Langfristig aber trägt eine beständige Einkaufspräsenz an Hochschulen jedoch dazu bei, die Auswahl und Qualität der potentiellen Arbeitskräfte erheblich zu steigern – und damit auch dem Einkauf insgesamt potentiell zu mehr Bedeutung in Unternehmen zu verhelfen. Den alleinigen „Königsweg“ stellt das Hochschulrecruiting für den Einkauf aber nicht dar, eher einen zentralen Teil des Instrumenten-Mix für Personalgewinnung und –entwicklung.
Autor
Prof. Dr. Florian C. Kleemann, Hochschule München
Hintergrund
Die Studie wurde im Rahmen des Moduls „Führung im Einkauf“ im Master-Studiengang „Digital Procurement & Supply Management“ von Frau Carlotta Thomma, Herrn Daniel Fichtlscherer sowie Herrn Yannick Hauser durchgeführt.
Auf eine geschlechterspezifische Benennung wurde aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet.
Bildquelle: Pixabay
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