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"Im Einkauf liegt der Gewinn"

Interview zum Einkauf im Mittelstand mit Lukas Schomerus, Abteilungsleiter im Bereich Einkauf bei der Neusser Bauverein AG. Die Fragen stellte BME-JobSource.
Veröffentlicht am 01.06.2021
Herr Schomerus, wann war Ihnen klar, dass Sie im Bereich Einkauf arbeiten möchten?

Nach meiner schulischen Ausbildung im Bereich Bautechnik wollte ich eigentlich Architektur studieren. Nach einigen praktischen Erfahrungen wurde mir jedoch schnell klar, dass ich doch etwas anderes machen wollte. Ich bin durch Zufall im Einkauf der Thyssen Krupp Real Estate GmbH gelandet, bevor ich mein berufsbegleitendes Bachelorstudium begonnen habe. Anschließend war ich als strategischer Einkäufer bei einem Unternehmen der Peek & Cloppenburg KG tätig. 2015 bin ich dann in einem familiengeführten Bauunternehmen gelandet. Eine große Herausforderung war hier, die zukünftige Einkaufsabteilung aufzubauen und die kostengünstige Beschaffung sicherzustellen. Seit 2017 arbeite ich bei der Neusser Bauverein AG.

Wenn Sie an die Zeit in großen Konzernen und an die Zeit im Mittelstand denken: Wo sehen Sie im Bereich Einkauf große Unterschiede?

Zum einen ist die Verhandlungsmacht bei Konzernen um ein Vielfaches höher als im Mittelstand. Das lässt sich zum Beispiel mit dem meist höheren Einkaufsvolumen begründen. Auch die generelle Bekanntheit dieser Konzerne spielt eine große Rolle. Die größten Unterschiede finden vermutlich in der Organisation der Einkaufsabteilungen statt. In Konzernen wird die Einkaufsabteilung meist in operative, strategische und Projekttätigkeiten unterteilt. Darüber hinaus werden oft Lead Buyer oder Category Manager eingesetzt und dazu kommt noch das Einkaufscontrolling. Allein durch die benötigte Anzahl an Mitarbeitern ist diese Form der Organisation gar nicht für alle Unternehmen geeignet. Im Mittelstand müssen wenige Mitarbeiter genau eben diese genannten Funktionen bekleiden. Ein ebenfalls großer Unterschied sind sicherlich auch die Entscheidungswege. Eine flexible Handlungsfähigkeit wird durch die Größe eines Unternehmens und die Anzahl der Stufen der Hierarchie eingeschränkt. Somit können Entscheidungen im Mittelstand viel schneller und dennoch transparent getroffen werden. Im Konzern sind die Prozesse meistens bis ins kleinste Detail beschrieben und geregelt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Akzeptanz des Einkaufs im Mittelstand im Vergleich zum Konzern immer noch nicht hoch genug ist. Noch viel zu oft kümmern sich die Bedarfsträger im Mittelstand selbst um die Beschaffung. Natürlich kann das nicht verallgemeinert werden. Es kommt auch auf die Branche, die Größe des Unternehmens und die Größe des Einkaufsvolumens an.

Würden Sie sagen, dass Sie im Konzern mehr gelernt haben als im Mittelstand oder umgekehrt?

Da meine Einkäufertätigkeit in Konzernen begonnen hat, wurde ich dort mehr geprägt. Zu Beginn der beruflichen Laufbahn lernt man all das Neue kennen. Abgesehen von dem theoretischen Wissen aus der schulischen Ausbildung verfügt man ja noch kaum über Fachwissen. Dennoch konnte ich insbesondere in den KMU sehr viel lernen, was mir in Konzernen nie vermittelt worden wäre. Durch die direkte Nähe zur Geschäftsführung lernt man beispielsweise viel schneller als Unternehmer zu denken und Verantwortung zu übernehmen. Letztlich hat die Mischung aus beidem perfekt gepasst. Im Endeffekt kommt es darauf an, von welchen Menschen man lernt und welche praktischen Erfahrungen man sammeln konnte.

Welche Tätigkeiten prägen Ihren Arbeitsalltag?

Die typischen Aufgaben eines Einkäufers, wie die Erstellung der Ausschreibung, werden bei uns in den meisten Fällen bei uns von Architekten oder Fachplanern übernommen. Neben der Kostenreduzierung und Kosteneinsparungen ist mein Arbeitsalltag durch die Moderation und Führung der technischen und kaufmännischen Verhandlungen geprägt. Die Vergabeplanung, die Steuerung von Ausschreibungen und das Einkaufscontrolling gehören ebenfalls zu meinen täglichen Aufgaben.
Hinzu kommen auch Dinge, wie das Konfliktmanagement mit Lieferanten im Problemfall. Zudem sind auch die Weiterentwicklung der Abteilung und Einkaufsstrategie sowie die Einhaltung der Richtlinien sicherzustellen. Ein Großteil meiner Tätigkeiten sind strategisch bedingt.

Was begeistert Sie ganz besonders an Ihrem Job?

Die Verantwortung über einen der größten Hebel für die Wertschöpfung im Unternehmen zu tragen. Wie von vielen oft gesagt, liegt im Einkauf der Gewinn. Der Einkauf ist heutzutage ein Schnittstellenmanager zwischen den Lieferanten und Bedarfsträgern. Daher ist die Kommunikationsfähigkeit hier sehr wichtig. Im Einkauf muss das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Lieferanten die beste Lösung für beide Parteien sein. Genau diese Schnittmenge herauszufinden finde ich immer wieder spannend. Konkret in der Bau- und Immobilienbranche ist es für mich ein tolles Gefühl nach viel Arbeit und erfolgreichen Verhandlungen mit vielen verschiedenen Lieferanten, ein neu entstandenes Gebäude zu bestaunen. Die hohe Abwechslung der vielen Warengruppen und die Wertschöpfung innerhalb des gesamten Lebenszyklus einer Immobilie begeistern mich immer wieder. Seit meiner ersten Stelle als Einkäufer hat sich mir nie die Frage gestellt, ob ich im Bereich Einkauf bleiben möchte. Mein damaliger Vorgesetzter sagte mir bei meiner Einstellung: „Herr Schomerus, wenn Sie einmal im Einkauf angefangen haben, wollen Sie keinen anderen Job mehr machen.“ Bis zum heutigen Tag hat sich dieser Spruch auf jeden Fall bewahrheitet.

Sie sagten, dass Sie eine Einkaufsabteilung aufgebaut haben. Wie können wir uns das genau vorstellen?

Die Neusser Bauverein AG ist ein Immobilienunternehmen und der größte Wohnungsanbieter im Rhein-Kreis-Neuss. Durch die hohe Bautätigkeit wurde hier die dringende Notwendigkeit einer professionellen Einkaufsabteilung erkannt. Vor drei Jahren wurde ich bei der Neusser Bauverein AG als Einkäufer eingestellt mit dem Ziel eine Organisation für den Einkauf aufzubauen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Projektleiter die Beschaffung immer selbst übernommen. Das Ziel war, die Beschaffung in einer zentralen Einkaufsorganisation darzustellen.

Welche Herausforderungen hat das mit sich gebracht?

Eine große Herausforderung war es, die benötigte Akzeptanz gegenüber den anderen Abteilungen und Mitarbeitern zu erreichen. Zu Beginn mussten bestehende Prozesse aufgelöst werden, Veränderungen eingeführt und letztendlich die neuen Prozesse in den Arbeitsalltag integriert werden. Die Beschaffungsprozesse wurden den Bedürfnissen und den vorhandenen Richtlinien des Unternehmens angepasst und detailliert beschrieben. Das Ziel war es, dass klare Verantwortungsbereiche und transparente Prozesse entstehen konnten. Der Großteil der operativen Einkaufsprozesse wie das Schreiben von Verträgen, Vergabevorschlägen, Rechnungsprüfungen und Lieferantenmanagement sind an andere Abteilungen ausgegliedert worden, sodass ein hoher Wertbeitrag durch die Einkaufsabteilung gewährleistet werden konnte. Die Einkaufsstrategie wurde aus der Unternehmensstrategie und den Unternehmenszielen sowie aus dem zuvor erstelltem Einkaufskodex abgeleitet, wobei ein wichtiger Punkt die Implementierung des Einkaufscontrollings war. Hierdurch werden die Ermittlung und die Darstellung der Ergebnisse aus der Einkaufsabteilung sichergestellt. Das dient der Motivation und der Überzeugung von Mitarbeitern und dem Vorstand die passierten Veränderungen weiter voranzutreiben. Letztlich war es möglich, bereits im ersten vollständigen Jahr einen ausführlichen Einkaufsbericht zu erstellen anhand dessen sich belegen lässt, dass das jährliche Einkaufsvolumen durch die Unterbindung von Maverick-Buying heute einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag umfasst. Durch diese Kennzahlen ist die Steuerung der Maßnahmen aus der Einkaufsstrategie möglich. Zusammenfassend kann man sagen, von einem dezentralen, durch den jeweiligen Bedarfsträger abgewickelten Bestellwesen wurde eine transparente und optimierte zentrale Einkaufsabteilung geschaffen, welche somit eine nachhaltige Verbesserung der Unternehmensergebnisse ermöglicht. Übrigens war mein Thema der Bachelorarbeit dazu passend die Implementierung und Professionalisierung einer Einkaufsabteilung.

Für welche Erfahrungen sind Sie besonders dankbar? Inwiefern haben diese Sie weitergebracht?

Je mehr Verantwortung ich übertragen bekommen habe, desto mehr Erfahrungen habe ich gesammelt. Das bedeutet nicht, dass alle Erfahrungen auf Anhieb besonders gut waren; aber man lernt insbesondere durch die Dinge, die komplett neu für einen sind. Durch die Übernahme von Verantwortung habe ich immer die größten Erfahrungssprünge gemacht. Aus diesem Grund kann ich für das in mich gesetzte Vertrauen durch meine bisherigen Vorgesetzten dankbar sein, da sie mich immer wieder gefordert und gefördert haben.

Was ist wichtig, wenn man im Bereich Einkauf erfolgreich werden will?

Man benötigt eine große Portion Leidenschaft für den Job. Zusätzlich sollte man sich auf jeden Fall mit dem Unternehmen für das man arbeitet, identifizieren können und einen Sinn in der eigenen Tätigkeit sehen. Neben einer guten Kommunikationsfähigkeit, einem gewissen Durchsetzungsvermögen und Verhandlungsgeschick sollte auch kaufmännisches und technisches Know-how vorhanden sein. Sicherlich ist auch das Netzwerken im BME hilfreich und die damit verbundenen Gespräche mit Experten im Einkauf.

Was zeichnet einen guten Einkaufsleiter im Mittelstand aus?

Die Grundvoraussetzungen sind die eben genannten Aspekte, ergänzt durch Risikobewusstsein und Führungsqualitäten. Ebenfalls notwendig ist das unternehmerische Denken. Zu guter Letzt sollte die Rückendeckung der Unternehmensleitung auf jeden Fall vorhanden sein.

Welche Ziele streben Sie an? Was möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Zunächst fokussiere ich mich weiterhin auf die Weiterentwicklung und Optimierung der Einkaufsabteilung bei der Neusser Bauverein AG. Darüber hinaus möchte ich mich jedoch ständig weiterbilden, um die zukünftigen Herausforderungen im Einkauf meistern zu können und um mein Know-how zu erweitern. Das wird mich dann auf die Übernahme weiterer Verantwortlichkeiten im Unternehmen vorbereiten und mir Karrierechancen ermöglichen.

Wir bedanken uns für das Interview.

Lukas Schomerus
Abteilungsleitung Einkauf
Neusser Bauverein AG

Lukas Schomerus ist seit November 2017 Abteilungsleiter des Einkaufs bei der Neusser Bauverein AG und Handlungsbevollmächtigter. Bereits zum zweiten Mal verantwortete Lukas Schomerus die Implementierung und Professionalisierung des Einkaufs in einem mittelständischen Unternehmen. Er studierte an der Hochschule EBZ Business School in Bochum Immobilienwirtschaft und ist von Anfang an der Bau- und Immobilienbranche treu geblieben.

Foto: Lukas Schomerus

 

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